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Bestimmung von Asbest in Putzen, Spachtelmassen und Fliesenklebern – Neue Richtlinie VDI 3866, Blatt 5:2017-06 widersprüchlich

Inhalt


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Einleitung

Nachdem in den letzten Jahren asbesthaltige technische Produkte wie Putze und Spachtelmassen zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit rückten, reichte die zu dieser Zeit gültige VDI 3866, Blatt 5 im Ausgabestand Oktober 2004 mit einer Nachweisempfindlichkeit von 1 Masseprozent Asbest nicht mehr aus.

Erste Ansätze zur Verbesserung der Nachweisgrenze gab es 2011 mit der sogenannten „SBH“-Methode, nach der durch Heißveraschung und Säurebehandlung der Proben die Nachweisgrenze gesenkt und auf 0,001-0,003 % Asbest geschätzt wurde. Leider ist dieses Verfahren nirgendwo zugänglich dokumentiert.

Der Entwurf der VDI 3866, Blatt 5 von Juli 2015 griff diese Präparationstechniken auf, verwies aber wie die Fassung von 2004 auf das IFA / BIA-Verfahren 7487 für die Erfassung von Asbestgehalten von 0,1 Masseprozent und kleiner.

Im Juni 2017 hat die VDI 3866, Blatt 5 das Entwurfsstadium verlassen und ist in ihrer Neufassung gültig. In Anlehnung an das bewährte IFA / BIA-Verfahren 7487 und ISO 22262-2 beschreibt sie Präparations- und Analyseverfahren, die auch die Analyse technischer Produkte < 1 % Masseprozent Asbest mit einer geschätzten Nachweisempfindlichkeit von 0,001 % erlaubt.

 

Neufassung VDI 3866, Blatt 5 von Juni 2017

In VDI 3866, Blatt 5:2017-06 werden für einzelne Gruppen technischer Produkte bestimmte

  • Untersuchungsmethoden (Bruchfläche, Zielpräparat, Streupräparat, Suspension) und
  • Zusätzliche Präparationsmethoden wie Kaltveraschen, Heißveraschen, Säurebehandlung, Mörsern/Vermahlung, Suspendieren/Filtrieren

empfohlen.
In Anhang B wird ein Verfahren für die Analyse von Proben mit geringen Asbestgehalten < 1 % aufgeführt, das sich am IFA / BIA-Verfahren 7487 und an der ISO 22262-2 orientiert.
Zudem wird ein Schätzwert für die Nachweisempfindlichkeit dieser Untersuchungsart in Höhe von 0,001 Masseprozent Asbest angegeben, der sich u.a. aus der Filterbelegungsdichte, ausgewerteter Filterfläche und der Masse einer Bezugsfaser berechnet.

Tabelle 1: Nachweisgrenzen einiger Analyseverfahren zur Bestimmung von Asbest

Methode

Nachweisgrenze (Massengehalt in %)

VDI 3866, Blatt 5 (2017-06)

  • 1 % (Bruchflächenuntersuchung, Zielpräparat)
  • 0,1 % (Streupräparat, Heißveraschung)
  • 0,001 % (Heißveraschung, Säurebehandlung, Suspension)

„SBH“-Methode (2011)

< 0,01 % (geschätzt 0,001 – 0,003 %)

IFA / BIA-Verfahren 7487 /1997-04)

0,008 %

ISO 22262-2 (2014-02)

< 0,001 %

 

Die Schätzung der Nachweisgrenze im Detail

Die Nachweisgrenze wird nach folgender Formel (B4, VDI 3866) abgeschätzt:

 

mit   

NG Nachweisgrenze in % Massenanteil
3 Obergrenze des 95%-Vertrauensbereichs einer Poissonverteilung (1)
6x10-6 Mittlere Fasermasse einer Bezugsfaser (2)
G Verhältnis Masse nach Heißveraschung / Masse vor Heißveraschung (3)
FB Filterbelegungsdichte in mg cm-2 (4)
AF Ausgewertete Filterfläche in cm2 (5)

 

Die Abschätzung der Nachweisgrenze beruht auf einigen Grundannahmen:
 

  • (1) Wird bei der Auswertung keine Faser gefunden, so wird als Nachweisgrenze die maximale Anzahl der Fasern festgelegt, die aufgrund des stichprobenartigen Charakters der Faserzählung bei nochmaliger Auswertung an anderer Stelle des Filters gefunden werden könnte. Entsprechend der  Obergrenze des 95%-Vertrauensbereichs einer Poissonverteilung für den Wert 0 (keine Faser gefunden) entspricht dies drei Fasern (Faserstrukturen).
  • (2) Auf Basis der Sichtbarkeitsgrenzen von Fasern für die unterschiedlichen Vergrößerungen bei der Analyse des Filterpräparates von
    - 3 µm Durchmesser bei 50-facher Vergrößerung
    - 1 µm Durchmesser bei 200-facher Vergrößerung
    - 0,2 µm Durchmesser bei 1000-facher Vergrößerung
    werden Abmessungen und Massen (zylindrische Form, Dichte 3 g cm-3) von sogenannten Bezugsfasern festgelegt:

    Tabelle 2: Abmessungen und Maße der ‚Bezugsfasern‘, Tabelle B1, VDI 3866

Vergrößerung

Länge in µm

Durchmesser in µm

Masse in mg

50-fach

130

4

5 x 10-6

200-fach

100

2

1 x 10-6

1000-fach

25

0,6

2 x 10-8

Die in der Formel eingesetzte Masse von 6 x 10-6 mg stellt die Summe der Einzelmassen für die 3 angegebenen Vergrößerungen dar.

  • (3) Das Verhältnis der Masse nach Heißveraschung / Masse vor Heißveraschung wird mit 1 angenommen
  • (4) Die Filterbelegungsdichte soll 2 mg cm-2 betragen
  • (5) Die Größe der ausgewerteten Filterfläche beträgt 1 cm2

 

Kritische Anmerkungen zum Verfahren

Aus 25 Jahren Berufspraxis in der Asbestanalyse ergeben sich aus Sicht der CRB Analyse Service GmbH folgende Kritikpunkte an dem in Anhang B der VDI 3866, Blatt 5:2017-06 beschriebenen Verfahren:

  1. Eine Filterbelegungsdichte von 2 mg Probenmaterial pro cm2 Filterfläche ist zu hoch, um sicherzustellen, dass Fasern und Partikel ohne Überdeckung durch benachbarte Partikel auf dem Filterpräparat vorliegen.
    Das Filterpräparat müsste nach den Zählregeln der VDI 3492
    Falls mehr als ungefähr ein Achtel der Bildfeldfläche von Fasern und/oder Partikeln bedeckt ist, darf das Bildfeld wegen Überladung nicht ausgezählt werden, … Falls mehr als 10% der Bildfelder einer Filterprobe als überladen gewertet werden, dann ist diese Filterprobe zu verwerfen.
    verworfen werden.
    Hier wiederspricht sich die VDI allerdings selbst, denn sie verweist von Anhang B1 Durchführung auf Abschnitt 5.3.3 Präparation für die Suspensionsuntersuchung wonach eine Belegungsdichte von etwa 0,25 mg cm-2 anzustreben ist. Dies entspricht ziemlich exakt den Vorgaben des IFA / BIA-Verfahrens 7487 zur Präparation.
     
  2. Um partikelgebundene Fasern freizulegen und das Probenmaterial nach der Heißveraschung suspendieren/filtrieren zu können, muss es aufgemörsert oder auf Korngrößen < 100 µm vermahlen werden. Wie dies zu geschehen hat, darauf finden sich in VDI 3866 nur grundsätzliche Hinweise.
    Durch diese mechanische Beanspruchung  werden größere Faserbündel aus Chrysotilasbest in der Regel zu kleineren Aggregaten oder gar Einzelfasern zerlegt. Amphibolasbeste brechen zu kürzeren Fasern oder teilen sich entlang Ihrer Längsspaltbarkeit zu dünneren Fasern.
    Typische Asbestfasern in so aufbereiteten Proben zeigen in der Regel (Erfahrung aus  zahlreichen Analysen nach IFA / BIA 7487 und VDI 3866, Blatt 5) Faserlängen zwischen 5 µm und 25 µm und Faserdurchmesser zw. 0,2 µm und 3 µm. Durchschnittliche Werte liegen aus Erfahrung bei 10-15 µm Länge und Durchmessern zw. 0,3 und 0,6 µm, woraus sich Massen für eine typische Bezugsfaser von 2 x 10-9 bis 1 x 10-8 ergeben.
    Daraus folgt, dass die Auswertung des Suspensions-Filters bei 50-facher und auch bei 200-facher Vergrößerung zwar durchgeführt werden kann aber nicht wirklich sinnvoll ist, da feine Fasern nicht detektiert werden können. Selbst bei 1000-facher Vergrößerung ist es fraglich, ob Fasern mit einem Durchmesser von 0,2 µm sichtbar sind.
    Daher prüft CRB zusätzlich, wie es auch in Abschnitt 6.1 Probenuntersuchung am REM der VDI 3866 und anderen etablierten Verfahren, wie VDI 3492 und IFA / BIA 7487, empfohlen wird, bei 2000-facher Vergrößerung.
     
  3. Auch die Säurebehandlung ist zumindest in Frage zu stellen. Sie führt bei Kalkputzen und anderen Materialien auf carbonatischer Basis sicherlich zu einer Anreicherung und Freisetzung von Asbestfasern. Allerdings kann sie bei Putzen und Spachtelmassen auf Gipsbasis unter Umständen sogar zu einer Verschlechterung der Nachweisempfindlichkeit führen, da diese nach Verlust des Kristallwassers durch Heißveraschung durch den Wassergehalt der zugegebenen Säure erneut agglomerieren und verfestigen können.
     
  4. Die Masse der Bezugsfaser wird aus ihrer Länge und dem Durchmesser (zylindrische Form, Dichte 3 g cm-3) berechnet.
    Bei der Berechnung der Asbestmassen auf dem Filterpräparat wird pauschal mit einem Umrechnungsfaktor von 2 x 10-9 mg/µm3 (2 g cm-3), dem Produkt aus Zylinderform und der Dichte von Chrysotilasbest gerechnet.
    Formfaktoren und Dichten für Amphibolasbeste, wie sich in anderen Richtlinien angewandt werden, bleiben unberücksichtigt:
    IFA / BIA 7487:
    - Chrysotil: Faser mit Zylinderform (Formfaktor 0,7854), Dichte 2,6 g cm-3
    - Amphibol: Faser mit Leistenform (Formfaktor 0,33), Dichte 3,0 g cm-3
    ISO 22262-2:
    - Chrysotil: Faser mit Zylinderform (Formfaktor 0,7854), Dichte 2,55 g cm-3
    - Amphibol: Faser mit Leistenform (Formfaktor 0,5), Dichte 3,0 – 3,43 g cm-3, je nach Asbesttyp

 

Praxisbeispiele für die Berechnung der Nachweisgrenze mit den Parametern aus den Kapiteln 5.3.3 (Belegungsdichte) und 6.1 (Vergrößerung) der VDI 3866, Blatt 5:2017-06

 

mit   

NG Nachweisgrenze in % Massenanteil
3 Obergrenze des 95%-Vertrauensbereichs einer Poissonverteilung 
2x10-8  Mittlere Fasermasse einer Bezugsfaser bei 1000-facher Vergrößerung, Tab. B1 VDI 3866
1 Verhältnis Masse nach Heißveraschung / Masse vor Heißveraschung
0,25 Filterbelegungsdichte in mg cm-2 nach Abschnitt 5.3.3
0,427 Ausgewertete Filterfläche in cm2 nach Abschnitt 6.1


Daraus ergibt sich für die qualitative Untersuchung ein Schätzwert für die Nachweisgrenze von 0,00006 Masseprozent Asbest. Diese liegt unter der in Anhang B geschätzten Nachweisgrenze von 0,001 Masseprozent Asbest.

Dieser niedrige Wert deckt sich mit einem Hinweis aus VDI 3866: „Wie auch in Abschnitt 8.2 angegeben, können nach Anhang B ermittelte Massenkonzentrationen unter dem hier angegebenen Schätzwert für die Nachweisgrenze auftreten, wenn die gefundenen Fasern geringere Massen (kleinere Durchmesser und Längen) aufweisen als die „Bezugsfaser“. Liegen z. B. alle Fasern in der Probe mit Durchmessern von weniger als 1 μm vor, so sinkt die oben angegebene Nachweisgrenze um nahezu den Faktor 100.“

Der Schätzwert der Nachweisgrenze für eine Quantifizierung nach IFA / BIA-Verfahren 7487 mit einer Belegungsdichte von 0,25 mg cm-2, Auswertung von  0,5 mm2 Filterfläche bei 2000-facher Vergrößerung und der Masse einer Bezugsfaser für diese Vergrößerung von 2,6 10-9 mg beträgt 0,0006 Masseprozent Asbest.

 

Fazit

  • Die VDI 3866, Blatt 5:2017-06 bietet mit ausführlichen Beschreibungen von Präparations- und Untersuchungsmethoden für einzelne Stoffgruppen sinnvolle Neuerungen für die Praxis im Asbestlabor.
  • Allerdings gibt es einige Widersprüche zwischen Anhang B und dem Hauptteil der Richtlinie, insbesondere im Hinblick auf die Filterbelegungsdichte bei der Suspensionsuntersuchung und der anzuwendenden Vergrößerung für die Erkennung dünner Fasern von 0,2 µm
  • Auch stellt sich die Frage, warum mit großem Aufwand ein Verfahren zur Analyse kleiner Massegehalte Asbest installiert wird, wo es doch schon etablierte Verfahren wie ISO 22262-2 und IFA / BIA 7487 gibt, deren Vorgaben für die Präparation für die Suspensionsuntersuchung in Abschnitt 5.3.3 übernommen werden und die geeignet sind, Asbest auch in kleinen Konzentrationen nachzuweisen.
  • Sehr erstaunlich und bedenklich ist es, dass alle in Anhang B zur VDI aufgeführten Festlegungen nicht im Entwurf von 2015 enthalten waren und auch nicht in einem überarbeiteten Entwurf innerhalb der 2 Jahre bis zur endgültigen Fassung veröffentlicht wurden.
    So wurde wirksam verhindert, dass Anregungen und Einsprüche die KRdL im VDI und DIN erreichen und die aufgezeigten Widersprüchlichkeiten vor Veröffentlichung aufgelöst werden konnten.
  • Auch weiterhin sind, trotz um den Faktor 100 niedriger Nachweisgrenze für Asbest, qualitative Befunde mit einer Abschätzung des Massengehaltes „kein Befund im Sinne der GefStoffV, um die Unter- oder Überschreitung der 0,1%-Grenze festzustellen.“. Hierfür stehen letztlich weiterhin nur die aufwändigen IFA / BIA-Verfahren 7487 und die ISO 22262-2 zur Verfügung.
  • Der Autor hofft, durch diesen Beitrag eine Diskussion anzustoßen, die zu einer Überarbeitung  der Richtlinie in Form einer Homogenisierung zwischen Textteil und Anhang B führt und eine verbindliche und klar verständliche Handlungsanleitung für das Analyselabor in der Praxis bietet.

 

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