Dr. Stefan Pierdzig berichtet vom IAEG/AEG-Kongress in San Francisco
Vom 15. bis 23. September 2018 fand in San Francisco ein gemeinsamer Kongress der AEG - Association of Environmental & Engineering Geologists - und IAEG - International Association of Environmental & Engineering Geologists - statt.
Aus verschiedenen ingenieur- und umweltgeologischen Bereichen gab es ca. 350 Vorträge überwiegend amerikanischer aber auch einer stattlichen Anzahl internationaler Geowissenschaftler.
So fand neben Symposien zu den Themen Staudammbau, Hydrogeologie & Grundwasser, Erdbeben & Landbewegeung, Umweltverschmutzung, geologischer Modellierung und weiteren auch ein Symposium zum Thema ‚Naturally Occurring Asbestos, NOA‘ statt.
Dieses wurde in Form eines key note Vortrages von Prof. Dr. Alessandro F. Gualtieri (Universität Modena, Italien) mit einem allgemeinen Überblick über das Thema Mineralfasern, einer Podiumsdiskussion, 34 Einzelvorträgen zum Thema natürlich vorkommender Asbest sowie einer Exkursion zu einem gerade abgeschlossenen Staudammprojekt (Calaveras Dam Replacement Project) inmitten asbesthaltiger Gesteine abgehalten.
Auf Einladung von Mark Bailey (Asbestos TEM Laboratories Inc., Berkeley, CA, USA), Chairman des NOA-Symposiums, nahm unser Mitarbeiter Dr. Stefan Pierdzig als Speaker mit einem Vortrag (Regulations concerning Naturally Occuring Asbestos (NOA) in Germany – Testing Procedures for Asbestos) und als Teilnehmer der Podiumsdiskussion an der Veranstaltung teil.
Das Symposium
Key note Vortrag von Prof. Dr. Alessandro F. Gualtieri zum Thema Mineralfasern
Prof. Gualtieri stellt den Stand der multidisziplinären Forschung im Bereich der Asbest- und Mineralfasern vor. Er weist auf die bisher nur schlecht verstandenen schädlichen biochemischen Wechselwirkungen von Mineralfasern mit dem menschlichen Körper hin.
Er fordert eine engere Zusammenarbeit zwischen dem Mineralogen/Kristallographen, der die Asbestfaser betrachtet und dem Biochemiker/Toxikologen/Arzt auf der anderen Seite, der die Perspektive des Organismus annimmt, der mit der Faser interagiert.
Auch weist er darauf hin, dass es eine Reihe weiterer, bisher nicht regulierter, Mineralfasern aus der gibt, bei denen begründeter Verdacht auf deren kanzerogene Wirksamkeit im menschlichen Körper besteht.
Podiumsdiskussion mit internationalen Gästen des Symposiums
Teilnehmer: Martin Harper (USA), Marc Hendrickx (Australien), Stefan Pierdzig, Yul Roh (Süd-Korea), Erell Leocat (Frankreich, verdeckt), Alessandro Gualtieri (Italien), Leticia Lescano (Argentinien), Francesco Turci (Italien)
Nach einer Vorstellung der Teilnehmer und Beschreibung ihrer Tätigkeit im Zusammenhang mit Asbest gab es einen Austausch (leider mit viel zu wenig Zeit) über die Themen
- Was ist Asbest (mineralogisch, morphologisch)
- Gesetzliche Regelungen zu natürlich vorkommendem Asbest
- Schutz von Arbeitern und Bevölkerung beim Umgang mit asbesthaltigen Gesteinen
Vortrag von Stefan Pierdzig: Regulations concerning Naturally Occuring Asbestos (NOA) in Germany – Testing Procedures for Asbestos
Folgende Themen wurden in dem Vortrag behandelt:
- gesetzliche Regelungen (GefStoffV, TRGS 517) im Zusammenhang mit natürlichen Asbestvorkommen
- Vorstellung potentiell asbesthaltiger Gesteine anhand einer geologischen Karte Deutschlands
- Asbest- und Faserdefinition gemäß TRGS 517
- Probenahme- und Analyseverfahren
- Informationsermittlung, Gefährdungsbeurteilung
- Allgemeine und ergänzende Schutzmaßnahmen
Pierdzig, Stefan, CRB Analyse Service GmbH, Germany, pierdzig@crb-gmbh.de
Exkursion zum Calaveras Dam Replacement Project
Das Wasserreservoir des Calaveras Damms dient seit mehr als 100 Jahren der Wasserversorgung San Franciscos. Nachdem der alte Damm (rechts im Bild oben) aufgrund tektonischer Erdbewegungen instabil wurde, wurde in den letzten 7 Jahren ein neuer Damm gebaut (Mitte im Bild oben).
Hierzu wurden mehrere Millionen Tonnen Gestein bewegt, z.T. hoch asbesthaltige, metamorphe Gesteine. Bei diesem Projekt wurde auch der in diesen Gesteinen vorkommende Glaukophan, ein hochdruck-metamorpher Amphibol, aufgrund seiner Fasermorphologie als Asbestmineral eingestuft.
Während der Exkursion und einiger dazugehöriger Vorträge wurden die einzelnen Phasen des Dammbaus sowie die umfangreichen Schutzmaßnahmen für Arbeiter und Bevölkerung (u.a. zahlreiche Stationen für die kontinuierliche Luftmessung rund um das Bauprojekt) erläutert.
Die wichtigsten Erkenntnisse und Eindrücke des Symposiums
Geologische Risiko-Karten für eine mögliche Asbestbelastung
In einigen Ländern (USA, Frankreich, Italien, Australien) gibt es kleinmaßstäbliche Karten, in denen potentiell asbesthaltige Gesteine, diese noch mal unterteilt in bis zu 4 Risikoklassen, abgebildet werden können.
Dies ist eine wichtiges Instrument für die Gefährdungsbeurteilung infrastruktureller Maßnahmen wie Straßen-, Eisenbahntrassen-, Tunnel- und Wasserwegebau und meines Wissens in Deutschland nicht vorhanden.
Länderübergreifende Anpassung von Asbest- und Faserdefinition?
Deutschland scheint das einzige Land zu sein (TRGS 517, … Es ist dabei unerheblich, ob eine Asbestfaser aus einem faserförmigen oder nicht faserförmigen Vorkommen eines Asbestminerals freigesetzt wurde) in dem auch Spaltprodukte von möglicherweise primär nicht faserförmigen Asbestmineralen für eine Risikobewertung herangezogen werden, die erst bei mechanischer Beanspruchung des Materials entstehen. Möglicherweis aus guten Grund … (s. nächster Punkt).
Andere Länder berücksichtigen nur primär faserförmigen Asbest, der aufgrund seiner Morphologie, u.a. dem aspect-ratio (Längen-Durchmesserverhältnis), von Spaltbruchstücken unterschieden wird.
Gefährlichkeit von Spaltbruchstücken von Fasern (‚cleavage fragments‘)
In einem eindrucksvollen Vortrag und TEM-Bildern auf atomarer Ebene stellt Vigliaturo Ruggero, University of Pennsylvania, die Ergebnisse einer Studie vor, die zeigt, dass gerade Spaltbruchstücke von Amphibolasbest (Anthophyllit, Grunerit, Amosit) bei gleichzeitiger Anwesenheit von langfaserigem Asbest von Zellen aufgenommen werden, sich dort biochemisch mit einer Eisen(oxid)schicht umgeben und abkapseln und Auslöser von Lungen- und Mesothelerkrankungen sind.
Weitere Fasern aus unterschiedlichen Mineralgruppen kanzerogen?
Verschiedene Forschergruppen weisen auf die (potenziell oder nachgewiesen) kanzerogene Wirkung von Mineralfasern hin, die nicht zu den 6 regulierten Asbestmineralen gehören:
So z.B. Erionit aus der Zeolithfamilie, faserförmiger Antigorit (Serpentin) und faserförmige Amphibole wie Glaukophan.
Analysemethoden für die Quantifizierung von Asbest
Einige Länder beschäftigen sich erst seit kurzem z.B. mit der Asbestproblematik von Straßenbelägen oder anderen Erzeugnissen aus potentiell asbesthaltigen Gesteinen (Frankreich seit 2013) und haben zum Teil keine nationalen Richtlinien zur Quantifizierung von Asbest in solchen Produkten.
In anderen Ländern hat man sich im Rahmen von Großprojekten wie dem Calaveras Dam Replacemment Project in Kalifornien, dem Bau einer weitgehend unterirdisch verlaufenden Umgehungsstraße um Genua oder dem einer Eisenbahntrasse in Süd-Korea intensiv mit dem Asbestproblem beschäftigt.
In jedem Fall sind die Methoden zur Quantifizierung von Asbest uneinheitlich und führen zu unterschiedlichen Ergebnissen (s. auch folgender Punkt).
Ringversuche zur Quantifizierung geringer Massegehalte von Asbest …
… in natürlichen oder technischen Materialien scheinen zur Zeit nur die Health and Safety Laboratories, HSL, Großbritannien mit ihrem LACS-Programm - low asbestos content scheme - anzubieten (Ergebnisse einiger Gespräche).
Soweit in Erfahrung gebracht werden konnte, gibt es, wenn überhaupt, nur Ringversuchsprojekte für technische Produkte mit qualitativen Ergebnissen.
Die Aussagefähigkeit der LACS-Ringversuchsreihe litt in den ersten 4 Runden unter der Tatsache, dass die Ergebnisse verschiedener Analyseverfahren TEM, REM, PLM und Untersuchungs-Richtlinien wie ISO 22262-2 und BIA/IFA 7487 in einen Topf geworfen und nicht getrennt betrachtet wurden. Bleibt zu hoffen, dass sich dies mit der gerade laufenden Runde 5 ändert.