Nachbericht zum 29. Forum Asbest und andere Schadstoffe in technischen Bauwerken
Anfang November fand das 29. Forum Asbest in Essen statt. Aufgrund der sich zuspitzenden Infektionslage waren wir in diesem Jahr nicht mit einem Stand vor Ort, sondern haben an den Online-Angeboten der Veranstaltung teilgenommen. Einige Eindrücke vom Event haben wir in diesem Nachbericht für Sie zusammengefasst.
Der Gebäudeschadstoff Asbest aus der Schweizer Perspektive
Auch in unseren Nachbarländern ist der Umgang mit Asbest weiterhin ein Thema. Clemens Jehle lenkte in seinem Vortrag den Blick auf die Schweiz, wo Asbest seit 30 Jahren verboten ist. Neben einem geschichtlichen Abriss wurden die Themen Aus- und Weiterbildung, Asbest-Analytik und asbesthaltige Abfälle diskutiert.
Während Asbest-Spritzbeläge und asbesthaltige Leichtbauplatten in den 2000er Jahren als weitgehend saniert galten, hatte man – wie auch in Deutschland – die Bedeutung und die Verbreitung sonstiger asbesthaltiger Baustoffe wie Fensterkitte, Bodenbeläge, Kleber, Spachtelmassen, Fliesenkleber und Putze unterschätzt. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) verschärfte in den vergangenen Jahren etliche Vorschriften und startete Kampagnen, um Asbest verstärkt in den Fokus zu rücken. Obwohl die Grenzwerte mehrfach gesenkt wurden, steigen die Fälle asbestbedingter Krankheiten bis heute weiterhin an; der Höhepunkt scheint noch nicht erreicht zu sein. Gleichzeitig hat die Menge asbesthaltiger Abfälle stark zugenommen.
Asbesthaltige Brandschutzklappen und Leitlinie Asbesterkundung
Über die aktuellen Entwicklungen in Sachen Gebäudeschadstoffe informierte Olaf Dünger von der Competenza. Bei asbesthaltigen Brandschutzklappen sah die Asbestrichtlinie (vor über 20 Jahren) eine langfristige Neubewertung ohne direkte Sanierungserfordernis vor. Inzwischen besteht die Gefahr, dass der gealterte Asbestschaumstoff langsam zerfällt, was durch Klappenauslösung noch beschleunigt wird. Messungen haben gezeigt, dass beim Aufschlagen des Blattes auf die Dichtung Fasern freigesetzt werden. Der Gesamtverband der Gebäudeschadstoffsanierer (GVSS) gibt hierzu voraussichtlich im Januar 2021 eine Handlungsempfehlung heraus, die zu einem zügigen Austausch asbesthaltiger Brandschutzklappen rät.
Seit April 2020 steht eine „Leitlinie für die Asbesterkundung zur Vorbereitung von Arbeiten in und an älteren Gebäuden“ zum Download bereit. Diese nicht-normative Leitlinie soll insbesondere Handwerker, aber auch Heimwerker unterstützen. Sie achtet besonders auf die Qualität der Probenahme: Denn wenn Proben nicht fachgerecht genommen werden, entstehen nicht nur Risiken. Auch die Feststellung der Asbestfreiheit durch einen negativen Laborbefund kann unnötig erschwert werden.
Arbeitsschutz: Arbeiten an schadstoffbelasteten baulichen Anlagen
Martin Kessel von der Arcadis Germany sprach beim Forum Asbest über verschiedene Neuerungen im Bereich Schadstofferkundung im normativen Bereich. Im Bericht des Ausschusses für Abfalltechnik zum Umgang mit Bau- und Abbruchabfällen mit geringem Asbestgehalt vom April 2020 wird erneut die Frage aufgeworfen, was als „asbestfrei“ gilt. Mehrere Definitionsmöglichkeiten kommen in Frage:
- Bauwerke, die mehr als 2 Jahre nach Asbestverbot errichtet wurden (ohne Hinweis darauf, dass vor 1993 in den Handel eingeführte Baustoffe verwendet wurden)
- Nach heutigem Stand der Technik asbest-sanierte Gebäude
- Gebäude mit Asbestfreiheits-Bescheinigung durch einen anerkannten Sachverständigen
- Durch entsprechende Beprobung und Analysen ausgeräumter Asbestverdacht
Gerade bei Abbruch spielt die Vorerkundung eine zentrale Rolle, da sich die nachträgliche Überprüfung von Bauabfällen auf Asbest deutlich komplizierter gestaltet. Wenn z.B. in einem Gebäude asbesthaltige Materialien verbaut wurden, diese aber vor dem Abbruch nicht abgetrennt werden können, dann könnte der Gesamtgehalt an Asbest im Bauschutt durch den Verdünnungseffekt unter die Nachweisgrenze rutschen. Dies darf nicht dazu führen, dass der Abfall anschließend als asbestfrei bewertet wird.
Stand des Nationalen Asbestdialogs
Andrea Bonner vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales berichtete über den aktuellen Stand des Nationalen Asbestdialogs. Die zukünftigen Eckpunkte der Asbestregelungen sollen in der Gefahrstoffverordnung festgelegt werden – darunter die anlassbezogene Erkundungspflicht für den Veranlasser von Tätigkeiten im Bestand. Es gilt dabei die Vermutung, dass alle vor Asbestverbot errichteten Bauten asbest-belastet sind. Weitere Entwicklungen und relevante Inhalte im Überblick:
- Konkretisierung des Überdeckungsverbots
- Genauere Beschreibung zugelassener Tätigkeiten als Ausnahmen zum Verwendungsverbot
- Definition risikobasierter Schutzmaßnahmen
- Übernahme der Tätigkeitsverbote aus der Gefahrstoffverordnung
- Beschreibung zulässiger Tätigkeiten (z.B. Tätigkeiten zu Analyse-Zwecken)
- Anforderungen bei Tätigkeiten mit Asbest (Orientierung am risikobezogenen Konzept der Gefahrstoffverordnung und an der TRGS 519)
Asbest in Bauschutt und Recyclingbaustoffen
Dr. Bernd Sedat vom Sachverständigenbüro Sedat ging der Frage nach Asbest in güteüberwachtem Recyclingmaterial nach. Um Recyclingbaustoffe asbestfrei zu halten, ist die Überwachung der Qualität von Bauschutt nach VDI 3876 und eine Probenahme nach LAGA PN 98 nötig. 77,7 % des Bauschutts (ca. 45,5 Mio. Tonnen; Stand 2016) werden als Recyclingbaustoff dem Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt. Auf diese Weise werden natürliche Ressourcen geschont. Mehr als die Hälfte der Recycling-Baustoffe werden im Straßenbau verwendet. In den neuen Gewerken ebenso wie bei der Aufbereitung oder Verarbeitung sollte kein verschleppter Asbest auftauchen.
Emissionsarme Verfahren in der Asbestsanierung
Gerald Lotz von der Nassauische Heimstätten Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH sprach über die Vor- und Nachteile sogenannter emissionsarmer Verfahren bei der Asbestsanierung. Ein häufiges Problem im bewohnten Bestand: Asbesthaltige Putze und Spachtelmassen sollen aus Wohnungen entfernt werden, in denen nicht genug Raum für eine konventionelle Asbestsanierung mit den entsprechenden Schutzvorkehrungen wie 4-Kammerschleuse gegeben ist.
Das entwickelte emissionsarme Verfahren hat den Vorteil, dass die aufwendige Abschottung entfällt. Die geringere Baustelleneinrichtung sowie die wegfallende Freimessung sparen zudem Zeit und Kosten.
Fazit
Das 29. Forum Asbest war eine spannende Veranstaltung mit vielen informativen Fachbeiträgen. Noch detailliertere Ausführungen zu den hier angerissenen und weiteren Themen können Sie im umfangreichen scilogs.spektrum.de-Blogeintrag unseres Mitarbeiters Dr. Gunnar Ries nachlesen. Das Online-Event war eine gute Möglichkeit, sich auch unter den aktuellen Pandemie-Bedingungen über neue Entwicklungen rund um den Gebäudeschadstoff Asbest zu informieren. Vermisst haben wir jedoch die sonst auch üblichen und geschätzten persönlichen Begegnungen und Gespräche. Daher hoffen wir, im nächsten Jahr wieder vor Ort dabei sein zu können.