Nachbericht: Asbestonomy 2023
Am 8. und 9. Juni 2023 fand in Brüssel die zweite Asbestonomy statt. Auch wir waren dabei, um uns über die Neuigkeiten zum Thema Asbest und den Umgang mit dem Gefahrstoff in verschiedenen Regionen der Welt zu informieren.
Ziel dieser Veranstaltung ist, das in verschiedenen Ländern vorhandene Wissen über Asbest zu bündeln und zu teilen, um das Leben und die Gesundheit der Menschen weltweit zu schützen. In diesem Beitrag fassen wir einige Inhalte dieses spannenden Events zusammen:
Asbest in Großbritannien
In der ersten Sitzung der Asbestonomy wurde die Asbest-Situation in Großbritannien vorgestellt. Im vereinigten Königreich wurden von 1950 bis 1960 gut 2.704 t Krokydolith und von 1960 bis 1975 3.253 t Amosit in Zement verarbeitet. Der Import von Amphibolasbest wurde schon 1985 eingestellt. Nach all dieser Zeit müsste die Rate der Mesotheliom-Neuerkrankungen bereits um mehr als die Hälfte zurückgegangen sein. Allerdings erkranken weiterhin viel mehr Menschen an Asbest-bedingtem Lungenkrebs und anderen Lungenerkrankungen als erwartet.
Die Zahl der Mesotheliom-Fälle im Vereinigten Königreich schwankt je nach Quelle zwischen 5.000 und 17.000 pro Jahr. Das Risiko, an Mesotheliom zu erkranken, liegt in Großbritannien bei 1:10.000. Für Gruppen, die in belasteten Gebäuden leben oder arbeiten, kann das individuelle Risiko noch deutlich höher liegen. Zum Vergleich: Das von der Gesellschaft normalerweise akzeptierte Risiko liegt bei 1:1.000.000.
Eine flächendeckende Erfassung der asbestbelasteten Gebäude in einer Datenbank könnte helfen. Daraus könnten dann entsprechende Sanierungsstrategien und -prioritäten abgeleitet werden, die mit entsprechender Luftüberwachung umgesetzt werden. Hilfreich wäre eine solche Datenbank auch im Katastrophenfall, denn sie könnte den Rettungskräften einen Hinweis geben, wo sie auf Gefahrstoffe treffen können.
Zu klären bleibt: Wohin mit den Abfällen? – Auch diese Frage wurde auf der Asbestonomy diskutiert. Derzeit ist die Deponierung noch das Mittel der Wahl. Unter anderem wegen des auf den britischen Inseln immer knapper werdenden Deponieraums dürften andere Verfahren wie thermische und chemische Behandlung in Zukunft eine größere Rolle spielen. Der Charme dieser Methoden wäre, dass man das Endprodukt wahrscheinlich wieder als Rohstoff für andere Produkte verwenden könnte, ohne sich Gedanken über Asbest machen zu müssen.
Aktuelles aus der Asbest-Analytik
Im nächsten Abschnitt der Veranstaltung ging es um die Asbest-Analytik und den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der Analytik.
Mikroskopie in der Asbestanalytik
Zunächst stellte Guillaume Lathus die verschiedenen Techniken zur Analyse von Asbest vor. Die verwendeten Techniken sind oft mit kryptischen Abkürzungen benannt, wie PLM, PCM, TEM und SEM (im Deutschen als REM bezeichnet). Dahinter verbergen sich das Polarisationsmikroskop, das Phasenkontrastmikroskop, das Transmissionselektronenmikroskop und das Rasterelektronenmikroskop. Jede dieser Techniken hat ihre unbestreitbaren Stärken und ihre Verfechter schwören auf sie.
Die elektronenoptischen Methoden haben gegenüber den beiden im sichtbaren Bereich arbeitenden Mikroskopen den entscheidenden Vorteil, dass sie eine wesentlich höhere Auflösung erreichen. Dies liegt daran, dass die verwendeten Elektronen selbst eine wesentlich kleinere Wellenlänge als das sichtbare Licht haben. Im Falle von Asbest bedeutet dies, dass mit einer Elektronenoptik wesentlich feinere Fasern aufgelöst werden können als mit einem Lichtmikroskop.
Künstliche Intelligenz und Asbest-Analyse
Dass künstliche Intelligenz unsere Welt auf den Kopf stellen kann, dürfte sich spätestens seit der Präsentation von ChatGPT herumgesprochen haben. Doch künstliche Intelligenz kann mehr als nur Texte schreiben. Sharmin Sharna zeigte uns, wie KI uns das Leben bei der Analyse von Asbestproben erleichtern kann.
Die Referentin berichtete über die Situation in Frankreich, wo die Analyse mit dem TEM (Transmissionselektronenmikroskop) das Mittel der Wahl ist. Diese äußerst genaue Methode ist sehr zeitaufwendig, sowohl bei der Präparation als auch bei der Analyse. Zudem sind die eingesetzten Geräte sehr teuer. Eine ermüdungsfreie KI kann hier helfen, Kosten zu optimieren und den Probendurchsatz zu erhöhen. So könnte künstliche Intelligenz beispielsweise die Detektion und Analyse der gesuchten Fasern übernehmen, während sich die menschlichen Analytiker auf die Identifizierung der Fasern beschränken.
Hierfür müssen die Maschinen zunächst lernen, Fasern zu erkennen. Eine Datenbank mit Routineproben ist erforderlich, die sowohl die verschiedenen Probenmaterialien als auch die Asbestformen und ihre unterschiedlichen Konzentrationen repräsentiert. Auf der Grundlage dieser Datenbank wurden verschiedene Algorithmen trainiert, um den für die Aufgabe am besten geeigneten Algorithmus zu ermitteln. Bisher hat die KI bei sehr feinen Fasern und Proben mit geringem Asbestgehalt eine gute Leistung gezeigt, wobei die Arbeitsgeschwindigkeit gut ist und die Fasererkennung sogar besser als bei menschlichen Analytikern sein soll.
Es ist nach wie vor nötig, die nachgewiesenen Fasern durch einen menschlichen Analytiker zu überprüfen und die Rate falsch positiver Ergebnisse zu verringern. Es konnte jedoch eine Akkreditierung der KI-unterstützten Asbest-Analytik erreicht werden. Dies zeigt, dass das Konzept insgesamt schlüssig ist. In naher Zukunft soll das System auf mehreren TEM eingesetzt werden und dann auch im Bereich SEM bzw. REM Anwendung finden. Gerade letzteres könnte auch für uns in Deutschland interessant werden.
Asbestkataster bei Immobilien-Verkäufen
In der Region Flandern in Belgien besteht seit 2022 bereits die Pflicht, bei Verkäufen ein Asbestkataster zu erstellen. Sven de Mulder berichtete auf der Asbestonomy über erste Erfahrungen. Nur zertifizierte Experten dürfen diese Kataster durchführen. Die Ergebnisse werden in einer Datenbank eingetragen, sodass alle Interessenten sich über potenzielle Asbestvorkommen informieren können.
Durch die Katasterpflicht stieg die Nachfrage an zertifizierten Sachverständigen in Flandern in den vergangenen Jahren enorm. Mittlerweile gibt es in der Region 1.100 Gutachter und in den zurückliegenden 6 Monaten wurden rund 84.000 Gutachten erstellt. Dabei wurden in 65 % der Gutachten Asbest festgestellt.
In Frankreich besteht schon viel länger die Pflicht, bei Verkauf und Vermietung von Immobilien ein Asbestkataster zu erstellen. Frédéric Giraud und Roland le Roux berichteten über die Erfahrungen aus den letzten 20 Jahren. Die industrielle Verwendung von Asbest in Frankreich nahm zwischen 1860 und 1975 deutlich zu. Erst nach 1975 führten strengere Vorschriften zu einem Rückgang und ab 1997 wurde Asbest verboten. Seit 2010 zeigt die Rate an asbestbezogenen pleuralen Erkrankungen eine abnehmende Tendenz.
Asbest-Entfernung und -Entsorgung
Auch zum Thema Asbestsanierung und -entsorgung wurden bei der Asbestonomy verschiedene Strategien vorgestellt. Muhammad Uzair Javed berichtete über ein Projekt zur Asbestsanierung in der pakistanischen Düngemittelindustrie.
Cindy Bekker sprach über den Stand der Asbestsanierung in den Niederlanden. Dort werden asbesthaltige Produkte in Abhängigkeit von der verwendeten Asbestart und dem Asbestgehalt in Fasern pro Kubikmeter in die Risikoklassen 1, 2 oder 2a eingeteilt.
Arbeiten im Bereich der Risikoklasse 1 dürfen auch von nicht-zertifizierten Unternehmen durchgeführt werden, wenn deren Personal geschult ist. Die Arbeiten sind anzumelden und am Ende genügt eine Sichtkontrolle. Für Arbeiten im Bereich der Risikoklassen 2 und 2a gelten strengere Regeln: Hier dürfen nur zertifizierte Unternehmen arbeiten, die Arbeiten müssen gemeldet werden und am Ende ist eine Luftmessung durch ein akkreditiertes Labor vorgeschrieben.
Neutralisation von Asbest
Die Entfernung von Asbest ist nur ein Schritt. Aber wohin mit dem Schadstoff, wenn er als Abfall deklariert ist? Auf Dauer ist die Deponierung sicher nicht das Mittel der Wahl, denn die Fasern sind nicht ungefährlich und der Deponieraum ist begrenzt. Am besten wäre es daher, diese Fasern unschädlich zu machen. Dazu wurden bei der Asbestonomy verschiedene Methoden vorgeschlagen, entweder durch hohe Temperaturen bis hin zum Schmelzen oder durch biologische Methoden. Beide Verfahren haben ihre Schwächen.
Hubert Domergues stellte eine andere Methode vor, um die gefährliche Faser eventuell zu neutralisieren. Das vorgeschlagene Verfahren neutralisiert den Asbest bei hohen Temperaturen und niedrigem Druck mit Schwefelsäure. Dadurch kann der Asbest zumindest im Labormaßstab vollständig zerstört werden und die neutralen, nicht mehr gefährlichen Endprodukte können einem Recycling zugeführt werden. Darunter fallen Silikate und Gips sowie Magnesiumsalze als Rohstoff. In einem nächsten Schritt soll das Verfahren in diesem Jahr vom Labormaßstab in eine Pilotanlage überführt werden.
Fazit: spannende internationale Einblicke in Asbest-Strategien
Die Asbestonomy hat viele spannende Einsichten in die Situation und die Strategien in anderen Ländern geliefert, was auf rein deutschsprachigen Konferenzen oft zu kurz kommt. Einige Ansätze sind international sehr unterschiedlich, während andere sich zu ähneln scheinen. Interessant ist auch, wie oft andere Länder gerade beim Asbest-Management und bei der Sanierungsplanung die Nase vorn haben. Hier können wir uns in Deutschland sicher noch einiges abschauen. Wir hoffen daher, im nächsten Jahr wieder dabei sein zu können und dass aus Deutschland mehr Resonanz kommt. Wir alle können nur voneinander lernen.